Stellungnahme zur Petition betreffend Dorfzentrum

Veröffentlichungsdatum23.06.2025Lesedauer8 MinutenKategorienStartseite
Foto vom Gemeindeamt

Stellungnahme der Marktgemeinde Furth bei Göttweig und des Benediktinerstiftes Göttweig
zur Petition betreffend Dorfzentrum Furth MIT Göttweig

Liebe Bürgerinnen und Bürger,
wir nehmen die Anliegen und Sorgen der Petition ernst und möchten transparent über den aktuellen Stand sowie die Planungs- und Entscheidungsprozesse rund um das Projekt auf dem Areal des ehemaligen Kelleramts in der Kirchengasse informieren. Auch wenn die Petition anonymisiert ist, nehmen wir jedes Anliegen ernst. Hier nun die Anmerkungen zu den wesentlichen Punkten:

Im Zuge der Entwicklung der Projektplanung wurde seit 2019 unter einem intensiven Bürgerbeteiligungsprozess gemeinsam mit der Bevölkerung, der Gemeindevertretung als auch dem Benediktinerstift Göttweig versucht, ein ausgewogenes Projekt im Kontext mit dem sensiblen Ort im historischen Zentrum von Furth zu entwickeln. Alle begleitenden Beschlüsse erfolgten sowohl in der vorangegangenen als auch der aktuellen Gemeinderatsperiode im Gemeinderat einstimmig. 

Durch leerstehende Gewerbehallen und ungenutzten Gebäuden standen der Bevölkerung zuletzt Teilbereiche nicht mehr zur Verfügung. Als gemeinnütziger Wohnbauträger steht die EGW-NOE für die Errichtung von leistbarem Wohnraum und die partnerschaftliche Entwicklung mit der Gemeinde im Ortskern. Daher wurde ein ambitioniertes Projekt zur Revitalisierung und Nutzung des vollen Potentials mit einem mehrjährigen Bürgerbeteiligungsprozess angestoßen und abgeschlossen.

Die Neugestaltung der öffentlichen Flächen, die Belebung des Ortskerns durch Gewerbeflächen sowie Gastronomie und die Bereitstellung leistbaren, geförderten Wohnraums ohne Neuversiegelung stellen die Grundpfeiler einer langfristigen Stärkung des Ortskerns dar. 

Unter den hohen Qualitätsvorgaben der niederösterreichischen Wohnbauförderung wurden mehrere Architekten zu einem Wettbewerb eingeladen und in einer interdisziplinären Jury das Siegerprojekt ausgewählt. Der historischen Bedeutung des Ortskerns, der herausfordernden Lage entlang des Hanges sowie der Nähe der Fladnitz wurde in einem langjährigen Entwicklungsprozess unter Einbeziehung von Sachverständigen für Ortsbildschutz, Hydrologie, Statik und vielen weiteren Experten Rechnung getragen.

Keine Grundwasserverdrängung durch Dichtbetonwannen für Tiefgarage:
Um die vielfältigen Plätze von Kelleramtsplatz, Meierhof bis hin zum Kirchenplatz möglichst von oberirdischen Stellplätzen freizuhalten, wurden die Pflichtstellplätze unter dem Gebäude untergebracht. Die strengen Vorgaben des Hochwasserschutzes waren vor allem in der Nähe zur Fladnitz ein wichtiges Thema in der Entwicklung und haben zu einer optimierten Planung der Gebäudeaußenkanten und der Geländehöhen geführt. Anhand von detaillierten Simulationsmodellen wurde das Projekt immer wieder angepasst, bis eine relevante Veränderung der Hochwassersituation ausgeschlossen werden konnte. Neben der baurechtlichen Einreichung der Gebäude wurde in einem eigenen Einreichprojekt die Einhaltung der wasserrechtlichen Vorgaben nachgewiesen. Um sicherzustellen, dass es zu keinen Verschlechterungen kommt, werden in mehreren Brunnen vor, während und nach der Bauphase die Wasserstände kontrolliert.

Allfällige Änderungen, die allerdings von den Experten nicht erwartet werden, werden durch diese umfangreiche Beweissicherung dokumentiert.

Keine Tiefenbohrungen und Sprengungen im historischen Ortskern:
Sowohl Tiefenbohrungen als auch Sprengungen werden in dem Projekt nicht durchgeführt. Die Beheizung erfolgt nicht mittels Tiefenbohrungen, sondern wird durch ein Nahwärmekraftwerk sichergestellt. 

Im Zuge der Projektentwicklung wurden zahlreiche Bodenerkundungen durchgeführt und die Lage sowie die Beschaffenheit des Felses erprobt. In Teilbereichen wird es erforderlich sein den Fels wegzustemmen (nicht sprengen), allerdings wurde die Lage der Untergeschoße bereits an die Erkenntnisse des Bodengutachtens angepasst. Diese kostspieligen Maßnahmen werden so gering wie möglich gehalten. 

Forderung der Reduzierung von 4 Stockwerken auf maximal 3 Stockwerke, Reduzierung des gesamten Baukörpers auf ein verträgliches Maß:
Die Anzahl der Stockwerke sowie der Wohnungen waren ein wichtiger Diskussionspunkt im Zuge der Entwicklung des Wohnprojektes. In einem internationalen Architekturwettbewerb wurden verschiedene Ansätze entwickelt und das vorliegende Projekt unter anderem aufgrund seiner Anpassung der Höhenstaffelung an die Bestandsgebäude und des harmonischen Umgangs mit der Hanglage ausgewählt. Im weiteren Planungsprozess wurde die Wohnungsanzahl von 62 auf 42 Wohnungen durch Entfall des gesamten Flügel VI reduziert, um der Maßstäblichkeit des Ortskerns gerecht zu werden. Insgesamt werden 5 Baukörper errichtet, welche, wie auch bereits im Rahmen der öffentlichen Präsentation des Architekturwettbewerbes ersichtlich, mit 2 bzw. 3 Stockwerken an die Bestandsbebauung anschließen und sich entlang des Hanges mit bis zu 5 oberirdischen Geschoßen an die Hangoberkante anpassen (siehe Plan). Die Anordnung der Baukörper entlang des Hanges wurde im Rahmen der Detailplanung angepasst. Durch die Hanglage fügt sich das Ensemble harmonisch in das Ortsbild ein. Somit wurde die bestehende Topografie aufgenommen. In einem umfangreichen Prozess mit Ortsbildgutachter sowie dem Bundesdenkmalamt wurden die Baukörper sowie deren Ausgestaltung intensiv diskutiert und beispielsweise mit einem Satteldach auf die unmittelbare Nachbarschaft mit der historischen Kirche reagiert. In diesem Prozess waren auch die Amtssachverständigen für das UNESCO Weltkulturerbe intensiv eingebunden.

Höhendarstellung

Mehr Retentionsfläche statt Bodenversiegelung in der Hochwasserzone:
Die Reduktion der Bodenversiegelung und die Vergrößerung der Retentionsfläche ist eine der großen Stärken der Entwicklung im Ortskern im Allgemeinen und dieses Projektes im Speziellen. Statt 42 freistehende Gebäude am Ortsrand zu errichten, schaffen wir mit diesem Projekt die Belebung des Ortskerns, die Reduktion von Infrastrukturleitungen sowie kurze Wege für die zukünftigen Bewohner. 

Aufgrund der bestehenden Bebauung mit Gewerbehallen und großflächigen Versiegelungen kommt es durch die Neugestaltung mit Wohnungen bereits zu einer starken Reduktion der Versiegelung. Mit neuen Freiflächen, Gründächern und Retentionsanlagen für die restlichen Bereiche, kommt es zu einer Retention von Regenwässern, welche auf dem Grundstück gehalten werden, statt unmittelbar in den Kanal bzw. die Fladnitz zu entwässern. Das neue Konzept schafft Grünräume, Aufenthaltszonen und verbessert das Mikroklima im Ortskern. 

Die Gestaltung der Freiflächen sowie die teilweise Aufständerung des Baukörpers wurden an die Hochwasserpegel der Fladnitz angepasst und führen zu keiner relevanten Verschlechterung im Vergleich zur Bestandssituation. Die Auswirkungen wurden in detaillierten Simulationen erhoben und sind Gegenstand eines wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens.

Verkehrssituation und Infrastruktur:
Die verkehrstechnische Erschließung wurde im Rahmen eines umfassenden Mobilitätskonzepts analysiert und von Experten beurteilt. Über die Brücke wird es eine Gegenverkehrsregelung geben. Es wird zu keiner Überbelastung der einspurigen historischen Brücke kommen, da auch eine neue verkehrsberuhigende Regelung im gesamten Bereich vorgesehen ist. Darüber hinaus werden Maßnahmen zur Verkehrslenkung und -entlastung umgesetzt, insbesondere bei Veranstaltungen.
Sowohl bei der Ideenwerkstatt als auch bei den Workshops in der Masterplan-Phase war die Verkehrsberuhigung des Areals einer der häufigsten Wünsche. Allerdings gibt es im Projektgebiet auch Nutzungen, die mit diesem Wunsch in einem Spannungsfeld stehen, da sie Zufahrten für den motorisierten Verkehr (Anlieferung etc.) benötigen. Die Stellungnahme des Verkehrsplaners David Knapp (Ingenieurbüro für Verkehrswesen und Verkehrswirtschaft) für das Projekt Dorfzentrum lautet folgendermaßen: Die Zufahrt im südlichen Abschnitt der Kirchengasse – und somit über die historische Brücke der Fladnitz – ist nur für Anrainerverkehr erlaubt. Insgesamt dient die Zufahrt neben dem Lieferverkehr auch der Erschließung der 53 Stellplätze in der Tiefgarage sowie von 15 Parkplätzen an der Oberfläche, die nur für definierte Berechtigte, z. B. Gästen der Gastronomie, vorgesehen sind. Die Brücke über die Fladnitz entspricht aufgrund der dargelegten geringen Verkehrsstärken, der Kürze des verengten Abschnitts, der vorhandenen Ausweichmöglichkeiten und der Sichtverhältnisse vor und nach der Brücke sowie der geringen Geschwindigkeit aufgrund der geplanten Wohnstraße den Vorgaben der RVS 03.04.12. Nach Realisierung des Projekts ist im Gesamtbereich der Kirchengasse im Vergleich zum Status quo mit geringeren Verkehrsstärken zu rechnen. Der Bereich ist auch nicht vom Kfz-Veranstaltungsverkehr betroffen, da die dafür notwendigen Parkplätze in fußläufiger Entfernung am bestehenden Gemeindeamtsparkplatz vorgesehen sind. Weiters unterbindet die Sperre der Kirchengasse im Bereich der Kirche den Durchzugsverkehr in Nord-Süd-Richtung beziehungsweise umgekehrt vollständig. Somit kann zusammenfassend festgestellt werden, dass das Gemeindestraßennetz ausreichend für die geplante Nutzung dimensioniert ist. Durch die Absiedelung des landwirtschaftlichen Betriebes des Benediktinerstiftes Göttweig kommt es im Gegenzug zu einer wesentlichen Verkehrsentlastung.

Entschärfung der Parkplatzsituation im Ortskern, da auch eine neue Gastronomie und eine Veranstaltungshalle gebaut werden:
Als Planungsgrundlage wurde eine Stellplatzberechnung durchgeführt; die Vorgaben der NÖ Bautechnikverordnung werden eingehalten bzw. kompensiert. Am Kirchenplatz sind acht Parkplätze (davon 1 barrierefrei) vorgesehen. Um die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten, ist die Zufahrt zum Kirchenplatz an Schultagen während der Schulzeiten zukünftig nur für Lehrpersonal und Schülertransporte gestattet. Außerhalb der Schulzeiten ist die Zufahrt zu den Parkplätzen allgemein erlaubt und somit beispielsweise auch am Sonntag für Kirchenbesucherinnen und Kirchenbesucher möglich. Die Zufahrt zum Parkplatz für mobilitätseingeschränkte Personen ist jederzeit möglich. Für Veranstaltungen im Kulturstadl sind mehr Parkplätze notwendig, als am Areal zur Verfügung gestellt werden können. Allerdings sind die fußläufig erreichbaren öffentlichen Parkplätze im umliegenden Ortszentrum zu den üblichen Veranstaltungszeiten (abends oder am Wochenende) wenig ausgelastet und sollen daher bei diesen Anlässen genutzt werden. Den Bewohnerinnen und Bewohnern des Wohnbaus stehen Tiefgaragenparkplätze zur Verfügung; weiters gibt es am südlichen Areal 15 Parkplätze, die nur für definierte Berechtigte (z. B. Gäste der Gastronomie) vorgesehen sind. Stellplätze für Radfahrer sind ebenfalls geplant. Die Bushaltestelle sowie der Bahnhof sind fußläufig erreichbar. Jede und jeder kann somit dazu beitragen, die Parkplatzsituation im Ortskern zu entspannen. Geplant ist auch ein Car-Sharing Modell für die Bewohnerinnen und Bewohner.
Die bisher genutzten Parkplätze waren zum Großteil auf Privatgrund des Benediktinerstiftes Göttweig und wurden bisher unentgeltlich der Bevölkerung zur Verfügung gestellt. Im Konzept und in der Planung sind auch die Schaffung von Parkraum in unmittelbarer Umgebung bis hin zum ADEG vorgesehen, weitere Möglichkeiten befinden sich aktuell in Prüfung. 

Zum Dialog mit Anrainern:
Wir möchten betonen, dass mit den direkten Anrainern des Projekts gute und konstruktive Gespräche geführt wurden. Von der Initiatorin der Petition wurde leider kein persönlicher Dialog mit der Gemeinde gesucht, was wir sehr bedauern – denn nur im gemeinsamen Gespräch lassen sich Anliegen auf Augenhöhe erörtern und Lösungen finden.

Abschließend möchten wir betonen: Die Marktgemeinde Furth bei Göttweig steht für eine nachhaltige, maßvolle und zukunftsfähige Entwicklung im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger. Das neue Gemeindezentrum soll ein lebendiger Treffpunkt werden – mit Rücksicht auf Umwelt, Geschichte und Gemeinwohl.

Mit freundlichen Grüßen,
Marktgemeinde Furth bei Göttweig

Für den Gemeinderat
Der Bürgermeister

Benediktinerstift Göttweig
Abt Patrick Schöder OSB